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06.02.2004 von turbojoe
Bericht über das "Turbo Prop Projekt" einer Cap 222
Kunstflugmaschine mit TurboPropantrieb und Verstellpropeller:
von Harald Reitprecht und Ernst Hödl
Projekt, Bau und technische Daten:
Begonnen hat es eigentlich bei der JetWM 1999 in Zeltweg. Mit meinem Freund und Modellbaukollegen Ernst Hödl besuchten wir diese Veranstaltung und waren von den düsengetriebenen Modellflugzeugen begeistert.
Bei dieser Veranstaltung erstanden wir auch schon unser erstes Jet Trainer Modell, einen Hot Spot von Peter Liebetrau. Bestärkt wurden wir in unserem Entschluss auch noch dadurch, dass gerade zu dieser Zeit die Triebwerke von Peter Jakadofsky, den wir aus unserer gemeinsamen Motorsportzeit noch in bester Erinnerung hatten, ihre Serienreife erlangt hatten und zusammen mit wenigen Anbietern aus dem Ausland zu den qualitativ besten Turbinen zählten.
Nach einem knappen Jahr Turbinenfliegerei, in dem wir die nötige Erfahrung sammeln konnten, kam schon der nächste Jet ins Haus, ein Bandit aus dem Hause BVM. Im darauf folgenden Winter wurde die Reihe der Sportjets durch den Exocet aus dem Hause Aviation Design ergänzt. Seit kurzem steht in unserer Flotte auch noch ein zweiter Hot Spot, eine verbesserte Variante mit eigenem Flügelprofil. Alle diese Flieger werden von Triebwerken aus der Edelschmiede Jakadofsky angetrieben, bis jetzt völlig zu unserer Zufriedenheit und das alles noch dazu mit so gut wie keinen Warte oder Lieferzeiten und der nötigen Kulanz (angesaugtes Gras und Erde bekommt dem Verdichterrad eben doch nicht gut).
Seitdem unser Turbinenlieferant Peter Jakadofsky eine ursprünglich für Hubschrauber konzipierte Wellenleistungsturbine entwickelt hat, kam uns der Gedanke, man könnte diese doch auch in einem Flächenflieger verwenden. Weiterführende Ideen und Gedankenspielereien führten uns natürlich dann dazu, dass dieses Triebwerk mit einem Verstellpropeller, selbstverständlich während des Fluges vom Sender aus, zu versehen sei.
Die ersten Rücksprachen mit Peter bestärkten uns und machten uns hoffnungsfroh. Lediglich die Tatsache, dass die uns zur Verfügung stehende Leistung für einen Standschub von 12kg sorgen würde, sorgte für Bedenken. Ernst's Wiggens und Extra 300, die eine mit einem 60ccm Motor, die andere mit 70ccm angetrieben, hatten doch wesentlich mehr Standschub, so in etwa 15-17kg. Diese Erkenntnis machte uns klar, dass es sich bei der Maschine um ein extrem leichtes Produkt handeln müsse und dass ein überpowertes Modell mit enormer Steigrate oder gar Hovern ein Ding der Unmöglichkeit sein werde. Aber großräumiger Kunstflug mit der Fähigkeit, ein Kunstflugprogramm mit den üblichen Figuren fliegen zu können, war unser Ziel.
Eine weitere Begebenheit trug zu unserer Faszination bei:
Der in der Kunstflugzsene bekannte Aerobatic Pilot Wayne Handley, der mit seiner Raven bei diversen Flugshows für spektakuläre Vorführungen sorgt, baute eine Turbo Raven. Ein Kunstflugzeug mir einem Pratt & Whitney PT6A-25C TurboProp Antrieb:
Wunderschön, mit wegen dem langen TurboProp Triebwerk weit nach hinten versetztem Cockpit und mit Leistung im Überschuß. Mit dieser Maschine stellte er sogleich mehrere Weltrekorde für höchste Steigrate für Propellerflugzeuge auf. So etwas ähnliches als Modell wollten wir auch haben.
Wir einigten uns auf ein Modell der Firma Delro, bekannt für sehr leichte Bausätze und bekannt dafür, dass ihre Modelle in Kunstflugbewerben immer in den vordersten Reihen vertreten sind. Die Cap 222 (SpW 232cm) bot sich wegen ihrer Auslegung als Tiefdecker insofern an, als dadurch eine ungefährliche und einfache Abgasführung am ehesten möglich schien.
Der Baukasten kam nach der zugesagten Lieferzeit von 4 Wochen pünktlich an. Auf den ersten Blick überzeugten die wirklich sehr leichten Styro/Balsa Flächen und Leitwerke, absolut gerade, kein Verzug. Auch der Gfk Rumpf ließ zunächst keine Wünsche offen. Die Oberfläche sauber und porenfrei, die Nähte fein verarbeitet und kaum sichtbar. Mit der Symmetrie schaute es beim Rumpf allerdings schlecht aus. Eine Mittellinie als Referenzlinie für spätere Arbeiten zu ziehen, war ein Ding der Unmöglichkeit. Nicht dass dadurch der Flieger schief fliegen würde, keineswegs, aber wenn man schon von weitem erkennen kann, dass sich der Rumpf der Krümmung der Erdoberfläche anzupassen scheint, dann muss man doch zu einer besseren Endkontrolle der Urform raten. Alle Arbeiten wie Anpassen der Kabinenhaube, Schleifen des Seitenruderrandbogens u.a.m. werden dadurch zum Abenteuer.
Zunächst ein paar Worte zum Triebwerk:
Es handelt sich um eine kerosinbetriebene Wellenleistungsturbine von Peter Jakadofsky.
Für die ersten Testläufe wurde die Turbine auf einem Prüfstand montiert. Die Maschine gibt ihre Leistung über ein im Gehäuse der Turbine eingebautes Getriebe oder Zahnradpaar an eine Zwischenwelle ab. Auf dieser Zwischenwelle sitzt eine aus dem Hubschrauberbereich übernommene aber abgeänderte Fliehkraftkupplung. Von hier geht der Kraftfluss auf eine weitere Welle, beim Hubschrauber der Rotorwelle entsprechend. Am Ende dieser sitzt der Blattverstellmechanismus. Aus Gründen der einfacheren Reproduzierbarkeit und weil hier ein bereits seit Jahren bewährtes Prinzip zum Einsatz kommen sollte, wurde für den Blattverstellmechanismus ein Dreiblattrotorkopf der Firma Vario verwendet. Dazu fertigte ein begnadeter langjähriger Modellhubschrauberpilot Holzpropellerblätter, die in ähnlicher Form auch in seinen Hubschraubern Verwendung finden, an. Diese Holzblätter sollten lediglich zu ersten Testzwecken verwendet werden. Nachdem die Turbine aber die ersten Testläufe eigentlich gänzlich ohne Probleme bewältigen konnte, es waren lediglich geringfügige Änderungen im Bereich der ECU (wegen höherer Drehzahl und anderem Massenträgheitsmoment des Verstellpropellers im Vergleich zu einem Hubschrauberrotor) notwendig, ging es nun zu Testläufen um die Standfestigkeit zu prüfen. Nach 10 stündigen Probeläufen mit allen erdenklichen Lastwechselsimulationen, dazwischen immer wieder Kontrolle der beweglichen Teile, ohne allerdings erhöhten Verschleiß festzustellen, kam der große Knall: Ein Propellerblatt folgte dem Weg der Zentrifugalkraft. Die Mechanik wurde zerstört, die Turbine überlebte dank der Fliehkraftkupplung. Diese ist so nebenbei auch noch verantwortlich für einen komplikationslosen Startvorgang, müsste doch die Turbine sonst in der Startphase schon den Propeller mitnehmen. Eine unnötige Überhitzung der Turbine und die Gefahr eines Hot Starts wird so gebannt.
Doch was war die Ursache für diesen Supergau? Die Holzblätter aus dem Hubschrauberbereich (Rotordrehzahl ca. 1600U/min) waren an ihrer Aufnahme wohl mit Hartholz verleimt und verstärkt, dieses konnte auf Dauer jedoch den Fliehkräften bei Drehzahlen um die 4800U/min nicht dauerhaft standhalten. Die Ursache war also gefunden und leicht zu lösen. Die Testläufe hatten jedenfalls gezeigt, dass das System perfekt lief, bei einem Propellerdurchmesser von 58cm und einer Drehzahl von 5200U/min 10kg Schub brachte. Dies Werte wurden mit vollsymmetrischen, gekürzten Hubschrauberrotorblättern erreicht. Es ist also anzunehmen, dass wir für unseren Einsatzzweck Blätter mit wesentlich besserem Wirkungsgrad finden werden. Bei unserer Forderung nach Umkehrschub, zum Reversieren am Boden und zum Erzielen eines Konstantspeedflugstils, wird es allerdings nicht leicht, die richtige Blattform zu finden. Aber wer weiß, probieren geht über studieren.
Die weiteren Arbeiten an der Mechanik waren die Herstellung eines Verstellmechanismus, der auf die Größe unserer Maschine abgestimmt war. Der Vario Dreiblattrotorkopf erwies sich als zu groß, ein Spinner mit D = 135mm konnte noch immer die Blatthalter nicht verdecken. So baute ich die gesamte Mechanik eine Nummer kleiner, alles aus Luftfahrtalu, die Blatthalter doppelt kugelgelagert. Der Mechanismus wird via Servo über ein Art Taumelscheibe, die sich hier nur axial verschiebt und nicht kippen muss, und Gestänge auf die Blatthalter, betätigt. Somit können Blattanstellwinkel von -20° bis +20° realisiert werden. Defacto ist die limitierende Größe aber die EGT (Exhaust Gas Temperature), denn Werte oberhalb von 650° sollten der Lebensdauer der Turbine zuliebe vermieden werden.
Nachdem diese Arbeiten abgeschlossen waren, folgte der Turbineneinbau in den Rumpf. Die original Motorträgerplatte wurde durch eine eigens angefertigte ersetzt. Sturz und Motorzug wurden den Angaben des Modellherstellers entsprechend übernommen, lassen sich aber wie herkömmlich durch Änderung der Distanzen variieren. Hier erwies sich das Konzept der PJW mit herkömmlicher Propellerdrehrichtung als goldrichtig, denn nur dadurch kann der original Motorzug verwendet werden. Als relativ diffizil erwies sich noch die Herstellung eines Y-förmigen hitzebeständigen Abgasrohres. Zu diesem Zwecke musste zuerst ein Punktschweißgerät, welches Nirostafolien in der Stärke von 0.075mm bis 0.2mm schweißen konnte, gebastelt werden. Nach einigen Versuchen gelang das auch. Zwei Tage Arbeit und der Lohn war dann ein Schubrohr welches den unerwünschten Restschub von 2000 Gramm vernichtet. Anfang und jeweiliges Ende des Rohres wurde doppelwandig ausgeführt. Zusätzlich wurde im Rumpf eine Art Firewall (aus 0.075mm Niro) zum Schutz der Tanks vor den heißen Auspuffgasen angefertigt. Spritschlauch und Kabelführungen wurden ebenfalls auf diese Art geschützt.
Der Verbrauch der Turbine von max 170ml/min Kerosin bewog uns zur Verwendung von 1.75L Tankinhalt. Der besseren Verfügbarkeit wegen verwenden wir eine 1L Flasche als Haupttank, in Serie mit einer 0.75L Flasche die das Kerosin an den UAT von BVM weitergibt. Somit sollte blasenfreier Sprit in jeder Lage für mindestens 8min zur Verfügung stehen.
Zum Bau des restlichen Fliegers gibt es nicht viel zu sagen. Wir hielten uns an die Angaben des Herstellers bzgl. EWD, CG, Motorsturz und Zug, Ruderausschläge und Expo. Der Rumpf wurde lackiert, Flächen und Leitwerke mit Oracover bespannt. Design und Lackierung wurde dem Formel 1 Renner 2002 von Ferrari nachempfunden. Das Gesamtgewicht liegt bei 10kg.
Erste Testflüge:
Nach den ersten Testläufen am Boden mit Kontrolle der Hitzeentwicklung und anschließenden Setup und Einstellarbeiten (ECU Programming, Propnachwuchtung, Pitchkurven min/max Werte) riskierten wir auf unserem nicht gerade sehr großen Platz mit Rasenpiste den Erstflug. Beschleunigung der Maschine war sehr gut, jedoch vermissten wir nach dem Abheben einen weiteren Geschwindigkeitszuwachs. Die darauf folgende Rechtskurve mit Rückenwindflug endete unsanft im Gras. Was war passiert? Unsere übertrieben Sorge, die Turbine nicht zu überfordern bewog uns die Blattanstellung mit 10° zu limitieren. Dies reichte zwar für einen ordentlichen Standschub, doch sobald Fahrt aufgenommen war reduzierte sich dieser adäquat dem Geschwindigkeitszuwachs und die Maschine kam kaum über Stallspeed hinaus. Das Auslesen der Turbinenparameter, sehr niedere max EGT, bestätigten unsere Annahme. Unglücklicherweise wurde beim Crash die gesamte Verstellpropellermechanik (von der Firma Behotec oder Jakadofsky Jet Engines wird voraussichtlich Ende des Jahres eine komplette Mechanik angeboten werden) zerstört, alles handgefertigte Teile, die wieder für jede Menge Arbeit sorgen sollten.
Seit diesem "Erstflug" gab es jede Menge weitere Flugversuche. Mittlerweile fliegt die Maschine schon recht ordentlich, Kunstflugmanöver wie Rollen und Loopings sind kein Problem mehr. Die Motorleistung ist für eine Maschine dieser Größenordnung absolut ausreichend und besticht durch ihre absolute Zuverlässigkeit. Bis dato 'gelang' es uns durch unkontrollierete Landemanöver bereits dreimal die Verstellpropellermechanik zu zerstören - die Turbine überlebte bisher alle diese Crashs ohne den geringsten Schaden.
Im Moment kämpfen wir noch mit einigen aerodynamischen Unarten der Maschine, die wir im Moment noch nicht recht deuten können. Liegt es am Verstellpropeller, an der Auspuffführung oder flugzeugspezifischen Unzulänglichkeiten wie inkorrekter Schwerpunkt, Motorzug oder EWD? Doch auch dieses Problem wird sich lösen lassen.
Technische Daten:
Modell:
Länge: 2.07m
Spannweite: 2.32m
Gewicht: 9.8kg
Triebwerk:
PJW Wellenleistungsturbine selbststartend
Konstantdrehzahl 80.000U/min
EGT: 500-650°
Schub: 8kg (gemessen am Modell, im Gras stehend)
Verbrauch: max. 170ml/min
Elektronik: Orbit
Gewicht der kompletten Einheit inclusive Verstellpropellermechanik, Spinner, Propeller: 2.4kg
Propellergröße: Dreiblatt 58cm, wie herkömmlich linksdrehend, daher standard Motorzug.
Prop Drehzahl: 5200 U/min
Flugerfahrungen und Weiterentwicklung:
Im zweiten Teil möchte ich nun ein wenig auf unsere Flugerfahrung mit diesem für uns Modellflieger doch neuartigem Antrieb eingehen.
Zunächst zur Erinnerung: Es war nicht mein Ziel eine Maschine zu bauen, die gerade eben für sichere Platzrunden gut war, auf Hartbahnen zu starten und zu landen war. Nein, diese Maschine sollte schon zumindest weiträumigen, kraftvollen Kunstflug beherrschen und mittels des Verstellpropellermechanismus für den geforderten Konstantflugstil bestens geeignet sein. Als Draufgabe sollte auch dank der Schubumkehr eine kürzest mögliche Landestrecke genügen und ein Reversieren am Boden möglich sein. Klar war uns allerdings auch, dass mit der zu erwarteten Power senkrechte Steigflüge in die Unendlichkeit oder gar Hovern ein Ding der Unmöglichkeit bleiben würden.
Vorweg, wir hatten unser Projekt doch ein wenig unterschätzt. Eine bekanntermaßen sehr leichte, excellent fliegende Maschine (Cap 222 von Delro) mit unserem Antrieb war offenbar nicht die Garantie für problemloses Fliegen.
Unser Erstflug erfolgte mit den einfach herzustellenden, gekürzten Helirotorblättern. Diese brachten am Prüfstand 10kg Schub (inklusive 2 kg Restschub aus dem Abgasstrahl). Bei unserer Abgasführung, wo wir bewusst den Restschub durch entsprechende Abgasführung vernichteten, um nicht unliebsame Schubmomente in den Auf/Abwärtspassagen zu bekommen, verblieb somit 8kg Schub bei 10° Pitch. Höhere Pitchwerte führten zu unnötig hohen Abgastemperaturen ohne Schubzunahme. Um im Flug die Turbine nicht zu überfordern, begrenzten wir zunächst senderseitig diese 10° Pitch. Diese übertrieben Sorge um das Wohlergehen der Turbine kombiniert mit zu wenig Nachdenken hätten fast zum Ende des Projekts geführt. Aber Rollversuche auf unserem von Bäumen umgebenen 120m Rasenplatz gepaart mit den am Prüfstand gemessenen 8kg Schub sollten doch für unsere 10kg Maschine für einen ersten Flug reichen, dachten wir. Die Rollversuche zeigten, dass die Beschleunigung der Maschine recht gut war und sie sicher abheben würde.
1. Flug:
Also Freigabe zum Start:
die Maschine beschleunigt gut und ist nach 40 Metern in der Luft. Doch uns blieb das Herz stehen. Die Take Off Geschwindigkeit lag bei geschätzten 50-60km/h. Und sie nahm in der Luft trotz 'Voll Pitch' um keinen Stundenkilometer zu. Die erste Baumreihe kam schon gefährlich nahe, Pilot Ernst leitete zwangsweise eine Rechtskurve ein. Strömungsabriss in 6m Höhe und äußerst unsanfte Landung im angrenzenden Feld war die Folge. Hauptfahrwerk, Steckungsrohr, Propeller mit seiner kompletten Verstellmechanik (fast alles handgefertigte Einzelstücke) wanderten in den Mistkübel.
Auswertungen und Erkenntnisse dieses "Erstfluges:
Die im Orbit-Display angezeigten EGT Werte bestätigten gleich mal unseren ersten Verdacht: max EGT 620°, average EGT 520°. Also wurde die Turbine in keinster Weise gefordert, sie lief gleichsam (trotz 80.000rpm) auf 'erhöhtem Standgas'. Na klar, plötzlich waren wir alle gescheit, mit 10° Pitch bei 5200 rpm und Prop Durchmesser von 60cm ist auch theoretisch ein Geschwindigkeit von 90km/h nicht zu erreichen. Warum dachten wir nicht schon vorher daran diese einfachen theoretische Überlegungen anzustellen. Egal, geschehen ist geschehen, diesen Fehler werden wir nicht mehr machen. Dass die vollsymmetrischen, nicht geschränkten Heliblätter auch nicht gerade der Weißheit letzter Schluss sind, ist auch klar.
Ran an die Arbeit, knapp 4 Wochen später folgte der zweite Versuch. In der Zwischenzeit ließ ich halbsymmetrische, geschränkte Blätter anfertigen. Testläufe mit diesen zeigten jedoch die Problematik der Relation von Rotationsachse und Auftriebsmittelpunkt auf: sie ließen sich nicht über den gesamten Pitchbereich verstellen. Also zurück ins Werk für weitere Optimierung.
2. Flug:
Unser Zweitflug fand sicherheitshalber auf einem kleinen Sportflugplatz für Zivilluftfahrt statt. Wieder versuchten wir es mangels einer Alternative mit den Heliblättern. Unsere programmierten Pitchwerte sind jetzt bei +15°, via Externschalter im Flug auf 18° erhöhbar.
Die Maschine hebt bei etwas böigem Westwind sanft vom Boden ab. Der 4min Flug zeigt, dass die Maschine eher langsam unterwegs ist, auf den ersten Blick erscheint sie recht hecklastig (eventuell durch die geringe Geschwindigkeit mehr Anstellwinkel?). Überdies reagiert sie auf Höhenruder recht giftig (durch meinen Fehler 0% Expo auf Höhe). Aber auch ohne Höhenruder Beeinflussung gibt's jede Menge Ups and Downs. Sie unterschneidet unangenehm, bei Pitchreduzierung steigt sie plötzlich auf. Dennoch, dank der langen Landebahn endet der Flug mit einer sanften Landung. Geschafft, der erste Flug ist uns gelungen!
Analyse:
Bis jetzt zu wenig Speed, unangenehme Eigenschaften um die Querachse. EGT Werte zeigten max 740°C (wahrscheinlich in der Startphase) und durchschnittlich 520°C. Also waren wir auch bei diesem Flug noch weit entfernt von der Leistungsgrenze der Turbine.
3. Flug:
Einige Tage später folgte Flugversuch Nummer 3:
Es bestätigte sich wieder das unangenehme Eigenleben rund um die Querachse: Pitch rein, Maschine geht nach unten, Pitch raus Maschine steigt nach oben. Entsprechend hart die Landung, Hauptfahrwerk und kompletter Pitchmechanismus mit Prop zerstört war die Folge.
Warum hat die Maschine dieses unangenehme Eigenleben?
Endlose Diskussionen folgten, alle zur Verfügung stehenden Spezialisten wurden befragt. Die zielführende Antwort blieb allerdings aus. Kein Wunder, dieses Konzept warf zu viele Fragen auf und ist offenbar zum jetzigen Zeitpunkt einzigartig. Ist es der symmetrische, ungeschränkte Verstellpropeller, der für Turbulenzen am Höhenleitwerk sorgt? Ist es die Unmenge an heißer Luft, die wohl in der Gegend des Schwerpunktes den Rumpf etwas nach oben und rückwärts verlässt? Immerhin hat die Turbine eine Restschub von 2kg, dieser wird aufgeteilt auf 2 Endröhren. Jedenfalls kann man hinter der Maschine stehend feststellen, dass der Propeller diese Unmenge an heißer Luft irgendwie nach hinten bläst. Möglicherweise kommen dadurch irgendwelche Wirbel mit heißer Luft oberhalb der Leitwerke zustande? Unterhalb der Leitwerke war die Luft relativ kalt. Warme Luft ist dünner, deshalb auf den Leitwerken mehr Auftrieb? Ungeschränkte Blätter sind für unseren Einsatzbereich alles andere als günstig. Stimmt die Blattanstellung am äußeren Drittel des Blattes, so sind alle anderen Punkte des Blattes bei gegebener Geschwindigkeit eigentlich Störfaktoren. Sorgen nun die inneren Anteile der Blätter für unerwünschte Turbulenzen? Den Spekulationen waren jedenfalls keine Grenzen gesetzt.
Für den nächsten Flug verwendeten wir bereits herkömmliche Propellerblätter, wie sie auch in normalen Motormaschinen verwendet werden. Es handelte sich um zwei 2 Blattprops 22x6, die in Nabe durchgesägt wurden. Somit entstanden 4 einzelne Blätter, drei davon wurden für unseren Dreiblattprop (ergab somit 60cm Durchmesser) adaptiert. Bei dieser Arbeit lernte ich, dass eine 22x6 Schraube, sowohl in der Steigung, im Durchmesser als auch im Gewicht nicht immer auch eine 22x6 Schraube sein muss (auch wenn sie vom selben Hersteller kommt). Der Motorzug wurde um 2° nach oben verändert. Testläufe am Boden zeigten, dass der Standschub mit den neuen Blättern bei 8.5kg lag. Also ähnlich wie mit den tiefen Heliblättern, eventuell sogar ein bisschen mehr.
4. Flug:
Start wie gewohnt problemlos. Im Flug zeigte die Maschine schon bessere und stabilere Flugeigenschaften, aber tadellos waren diese noch lange nicht. Aber immerhin konnte man nun zum ersten Mal an einen Looping oder eine Rolle denken. Bei den früheren Flügen hatten wir noch ganz andere Sorgen. So wagte Ernst den ersten Rückenflug:
Wider alle Erwartungen stieg die Maschine steil nach oben weg. Pilotenfehler? Also nochmals: Wieder, die Maschine geht steil nach oben weg und beendet das Manöver mit einem halben Negativlooping. Immerhin zeigte sich , dass rein von der Leistung her Loopings oder andere Aerobaticmanöver machbar sind. Aber woher kommt das Wegsteigen im Rückenflug? Die folgende Landung war sauber gesetzt.
Wir gaben der Maschine nochmals 1° mehr Motorzug nach oben und versuchten es erneut. Im Flug war wenig Änderung bemerkbar, Flugzustand nicht ganz stabil, immer wieder waren unerwartete Höhenruderkorrekturen notwendig. Vor allem das Zusammenspiel von Pitch und Höhenruder bei der Landung war das Problem. Dieses Mal war die Landung etwas hart, aber wenigstens nicht kaputt.
Folgende Änderungen gingen unserem nächsten Flug voraus:
Um den Abgasstrahl seine 'Aufwärtskomponente' zu nehmen, verlängerte ich die Abgasrohre und leitete sie direkt nach hinten Richtung Leitwerke. Wir versprachen uns davon weniger Turbulenzen am Heck der Maschine, kein 'Noseup' mehr im Rückenflug und etwas mehr Vortrieb.
5. Flug:
Keine Änderung im Vergleich zu den vorhergegangenen Flügen. Wir waren ratlos. Wir gaben probehalber 1° weniger Motorsturz und machten noch einen Flugversuch. Bei 'Pitch raus' steigt die Maschine auf. Die Landung war dieses Mal recht hart, das Hauptfahrwerk und der Propeller beschädigt.
Durch die geänderte Abgasführung gab es die ersten Probleme im Bereich der Pilotenkanzel. Das Lexan und der Kabinenrahmen zeigten schon kleine Verformungen. Temperaturmessungen am Ende der Auspuffröhren ergaben Werte von 400° bis 450°. Auch im Bereich der Leitwerke ist die Hitzeentwicklung enorm, doch kann man hier an der Bügelfolie recht schön sehen, in welchen Bereichen man sich bewegt. Die dunklen Verfärbungen sind nur temporär, ich glaube das ist den Styro/Balsa Leitwerken schon zuzumuten.
Weiters zeigte sich, dass die Hauptmenge der Abgasluft durch das linke Rohr entweicht. Offenbar ist das die Folge des Motorzuges nach rechts, womit die Turbine den Hauptanteil in die linke Röhre bläst. Ob dieses Ungleichgewicht den Flugzustand beeinflusst? Hier konnte ich durch etwas asymmetrische Montage des Y-Rohres etwas abhelfen.
Ein in der Zwischenzeit getätigtes Telefonat mit Herrn Rottmann von der Firma Delro, bewog uns, den Schwerpunkt von den im Plan angegebenen 230mm von der Nasenleiste auf 200mm nach vor zu legen. Die 230mm beziehen sich auf eine Maschine mit voller 3D Tauglichkeit. Um am Platz weitere Verstellmöglichkeiten zu haben änderten wir zusätzlich die Befestigung des Höhenleitwerkes, sodass wir vor Ort mittels Inbusschraube die EWD im Brereich von +/- 2° verstellen können. Ebenso entstand zwischenzeitlich ein Zweiblattverstellpropeller. Dieser hat einen Durchmesser von 62cm und ist wieder im Bereich von +/- 20° zu verstellen. Testläufe am Boden brachten 10kg Schub, ein weiter Zuwachs von 1.5kg im Vergleich zum vorherigen Zweiblattprop.
6. Flug:
Unser nächster Testflug erfolgte mit 0° EWD und 170gr Blei auf der Motorhaube. Die Maschine flog etwas gutmütiger als bisher. Der Zweiblattpropeller war allerdings eine Enttäuschung. Subjektiv erschien der Flieger langsamer als mit dem Dreiblattpropeller, auch die Turbine schien an ihre Grenzen zu stoßen. Die Auswertungen am Boden zeigten auch relativ hohe EGT Werte, ein weiteres Indiz dafür, dass der Zweiblattpropeller entweder zu groß war, oder vom Wirkungsgrad gegenüber dem Dreiblattpropeller, dieser hatte z.B. wesentlich dünnere Propellerblätter, ungünstig lag.
7. Flug:
Am darauffolgenden Tag erfolgte ein weiterer Flugversuch, dieses Mal mit fast einem halben Kilo Blei unter der Motorhaube, der Schwerpunkt damit um 4cm weiter vorne als es den Herstellerangaben entspricht. Take off war wie immer unspektakulär, und unsere Turbo Prop Maschine flog. Sie flog endlich so, wie wir es von Maschinen dieser Art gewohnt waren. Alle Spekulationen über Verwirbelungen am Höhenleitwerk durch heiße Abgase oder Verstellpropeller waren somit überholt. Nach einem kurzem Trimmflug lag die Turboprop stabil in der Luft, auch im Rückenflug waren keine besonderen, unangenehmen Eigenheiten zu bemerken. 4 Punkt Rollen gelangen und die Maschine konnte auch ihre extremen Langsamflugeigenschaften unter Beweis stellen. Das war der erste Flug von dem wir behaupten können, dass die Maschine genau das tat, was der Pilot von ihr verlangte. Der Flug zeigte aber auch, dass im Bereich der Propellerwahl noch einiges an Arbeit vonnöten sein wird. Weitere Tests werden zeigen, welche Richtung wir einschlagen müssen.
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